Von der Facebookseite:
Dies hier wird wie schon angekündigt mein vorerst letzter Post sein. Ich habe diesen Schritt monatelang rausgezögert, aber mein Studium fing diesen Monat an, und es fühlt sich jetzt einfach richtig an. Da mir diese Entscheidung aufgrund des berührenden Austauschs mit euch in den letzten Jahren wahnsinnig schwerfällt, möchte ich sie ein wenig begründen.
Zum Anfang ein Geständnis: Eigentlich wollte ich nie eine offizielle Facebook-Präsenz haben. Vielmehr wurde ich «sanft» dazu gezwungen: Irgendwann im Jahr 2011 erstellte jemand diese Seite unter meinem Namen und postete mit meinem Foto Sachen wie «Hey, ich will mehr Fans»! Zu meinem Entsetzen winkten die vielleicht zehn Follower nicht ab, sondern schrieben unter diese Forderung aufbauende Kommentare wie: «Kein Problem, kriegst du noch!», «Kopf hoch» oder: Daumen nach oben. Ich musste lachen und dachte zugleich: «Das gibt’s doch nicht …» Da auf der Seite auch noch Informationen standen, die im Grunde nur eine bestimmte Schulklasse wissen konnte (mit der ich kurz zuvor in Kontakt gewesen war, um deren Fragen zu beantworten), kam ich schnell dahinter, wer sich hier verantwortlich zeichnete. Im Guten übernahm ich also den Account von einem 15jährigen Schüler – und hatte seitdem diese Seite.
Im Laufe der folgenden elf Jahre wuchs sie mir immer mehr ans Herz. So viele schöne Kommentare von euch, so viele auch spannende und mich auch immer wieder erhellende Diskussionen, ob zu Literatur, Lost in Translation, politischen Themen oder auch Kritik wie an meiner Anti-e-Book-Klausel. Ich glaube, man kann wirklich sagen, dass wir gemeinsam diesen völlig unrealistischen Weg zurücklegten: Von Post zu Post, Jahr zu Jahr, und von Fast genial und Vom Ende der Einsamkeit bis zu Hard Land.
Dass ihr dabei wart, bedeutet mir wahnsinnig viel, und das sage ich nicht so dahin. Vor gut fünf Jahren, nach Donald Trumps auch durch Facebook begünstigter Wahl, wollte ich diese Seite schon aufgeben, weil ich dem Meta-Konzern und der Art, wie er die gesellschaftlichen Spaltungen in verschiedenen Ländern vorantreibt, absolut kritisch gegenüberstehe. Ich habe kein Instagram und würde mit dem Wissen von heute (etwa durch die Enthüllungen über Facebook, die auch in diesem Video aufgegriffen werden) erst recht niemals einen Account anlegen. Aber auch von Meta abgesehen sind Soziale Medien oder Twitter schlicht nicht meines, das ist einfach eine Typsache.
Und doch konnte ich diese Seite nicht aufgeben, denn zu schön war und ist es, mit euch auf diese Weise in Kontakt zu sein. Die Nachrichten auf dem privaten Facebook-Account (den ich vor Jahren schweren Herzens gelöscht habe) hatte ich irgendwann zeitlich leider nicht mehr alle geschafft, bei handschriftlichen Briefen bin ich wohl der chaotischste und langsamste Zurückschreiber der Welt und gefühlt ein Jahr hintendran, aber auf die Kommentare hier wollte ich immer schnell antworten. Diesen Austausch habe ich so sehr geliebt, und das nicht nur, weil ich so viel von euch zurückbekommen habe. Allein die Posts unter dem letzten Beitrag zur Anthologie über den Tod … es ist noch immer verblüffend und das Schönste für mich, dass so ein ehrliches, liebevolles Miteinander auf so einer Seite im Netz möglich ist.
Oder um es anders und ehrlicher zu sagen: Die letzten Jahre waren auf diese und jene Weise die vielleicht schwierigsten meines Lebens. Wie schön war es deshalb, immer wieder eure liebevollen Nachrichten zu lesen, eure klugen, aufmunternden Gedanken und Worte zu den Büchern, aber auch generell. Das hat mir auch in dunklen Momenten wirklich geholfen, und ich möchte euch allen von Herzen dafür danken.
Umso schwieriger ist dieser Post. Ich habe es in Interviews schon durchsickern lassen, dass ich nach knapp zwanzig Jahren generell eine Auszeit machen möchte, speziell vom Schreiben von Romanen. Stattdessen werde ich nun eben studieren (was genau und wo genau wird aber nicht verraten 🙂 ) Und auch sonst werde ich schauen, was es noch gibt. Frei nach Ferris Bueller und seinem Zitat am Anfang von Hard Land:
«Life moves pretty fast. If you don’t stop and look around once in a while, you could miss it.”
Ich bin jedenfalls kein Fan davon, Dinge halbherzig zu tun. Wenn ich eine Facebookseite habe, möchte ich sie auch selbst benutzen. Es würde mir sehr schwerfallen, auf Kommentare in Zukunft einfach nicht zu antworten, und es geht für mich erst recht nicht, dass hier jemand anderes in meinem Namen schreibt. Und wenn ich eine Pause mache und mich ein Stück weit zurückziehe, möchte ich nicht noch mit einem Bein in der digitalen Welt stehen, quasi stets kurz davor, sich doch wieder öffentlich zu zeigen und erreichbar zu sein. Entweder oder.
Nicht alle Menschen sind für die Öffentlichkeit gemacht, sei es nun vom Typ her, oder eben auch von der Psyche. Ich habe versucht, in meinem vorerst letzten Interview bei «Hotel Matze» einen Einblick zu geben, und hoffe, man versteht mich dadurch ein bisschen besser. Dieser Schritt fällt mir auch deshalb nicht leicht, weil ich dadurch das Gefühl habe, vielleicht die eine oder den anderen von euch nun zu enttäuschen. Mich ärgert selbst, dass meine Reaktion darauf, dass mir fast alles zu nahe geht, oft zu einem Zurückziehen führt, das dann wiederum unnahbar und verschlossen wirkt – was aber eben nicht der Fall ist, im Gegenteil. Deshalb hoffe ich sehr, dass ihr mich zumindest ein bisschen versteht.
Ich habe lange überlegt, was man statt dieser Seite machen könnte, und so gibt es eine neue Facebook-Gruppe, die von Elena Wiest und Susanne Bühler von Diogenes betreut wird, und mit der ich in engem Austausch stehen werde. Etwa, wenn es Fragen von euch gibt und anderes – oder wenn ihr euch einfach weiterhin begegnen möchtet. Ich werde diese Seite hier zudem nicht löschen, sondern wie eine leere Hotellobby konservieren. Es gibt zwar keine Neuigkeiten mehr, und am Empfang sitzt auch niemand und beantwortet Kommentare (es ist kein teures Hotel, zu wenig Leute, die Bar zum Reden und Treffen ist dann wie gesagt die Facebookgruppe) – aber nichts verschwindet.
News gibt es weiter auf meiner Homepage. Ich habe dort zudem einen Newsletter erstellt, der vermutlich im späten Herbst erstmals erscheint: Die «Grady Gazette», bei der ich auch über Leser*innenbriefe nachdenke, die man darauf eines Tages installieren könnte. Und natürlich werde ich – bis auf die Ausnahme mit der kurzen Nightliner-Tour neulich – weiterhin auf allen Lesungen mit Jacob (etwa nächstes Frühjahr) oder bei sonstigen Veranstaltungen wie im UTO Kino so lange dasitzen, bis auch die oder der letzte dran war, denn dieser echte Austausch ist und bleibt mir das Wichtigste.
Was die Zukunft angeht, so ist wie gesagt vieles möglich, von Musikradio bis hin zu ganz anderen Dingen. Und bei Romanen möchte ich mir zwar trotz einiger Ideen erst mal alles offenlassen (wobei eine Pause ja meist nicht das Ende ist), doch ein Sachbuch über das Schreiben ist schon länger fertig. Ich werde es jetzt mal weglegen, aber es kann gut sein, dass es Anfang 2024 bei Diogenes erscheint. Kurzgeschichten habe ich mir zudem immer erlaubt, um nicht aus der Übung zu kommen. Und wie gesagt, wer weiß schon, was in ein paar Jahren ist, vielleicht spaziere ich auch wieder durch die Tür dieser Seite oder es gibt etwas ganz Neues.
Ich danke euch jedenfalls von Herzen für die Unterstützung hier, für eure liebevollen, wunderbaren Worte, die in tausenden von Kommentaren archiviert sind und bleiben. Nichts als große Liebe von meiner Seite. Und ich bin sicher, wir sehen oder hören uns wieder, wenn nicht hier, dann bei einer Lesung, Messe oder dem Radio.
Alles liebe & euch alles Gute,
euer Benedict
P.S. Drei Dinge, die ich noch laut sagen wollte:
– Claudia Schumacher hat eines der besten Debüts der letzten Jahre geschrieben. «Liebe ist gewaltig» ist erschütternd, virtuos, komisch, klug, berührend.
– Der Autor Joey Goebel («Vincent» und «Irgendwann wird es gut» – beides phantastisch) hat gerade auch ein Musical geschrieben, voller Indie-Hits – falls jemand interessiert ist, es auf die Bühne zu bringen. Und falls irgendjemand Kontakte zu englischsprachigen Verlagen hat: Es kann einfach nicht sein, dass Joeys letzte Bücher noch immer nicht im amerikanischen Original erschienen sind, nur in der deutschen Übersetzung. Liebe Literaturwelt, das ist nicht fair, du hast bei Fitzgerald, Yates und anderen tatenlos zugeschaut, aber bei Joey darf einfach nicht das Gleiche passieren.
– Astrid Rosenfeld, die Autorin des großartigen Werks «Adams Erbe» hat zwar vor einigen Jahren den Verlag gewechselt – aber deshalb noch lange nicht aufgehört, wunderbare Geschichten zu schreiben. Kaum jemand kann so erzählen wie sie, schaut doch auch mal nach «Kinder des Zufalls» oder «Die einzige Straße». Und ansonsten war mein Buch des letzten Jahres «Mädchen, Frau etc.» von Bernardine Evaristo – es ist aber auch in diesem Jahr eine große Lese-Empfehlung an alle.