2010 lernte ich den Musiker Jacob Brass im Rahmen von Feels Like Home kennen – eine Veranstaltungsreihe für den guten Zweck, bei der internationale und deutsche Singer/Songwriter mit einem Autor auf Tour gingen. Die Musik war akustisch und das „Home“ durfte man wörtlich nehmen: schnell wurden wir ein vertrauter Haufen, alberten im Tourbus herum oder führten nachts an der Hotelbar stundenlange Gespräche. Für mich war das etwas Besonderes, denn normalerweise tourt man als Schriftsteller allein, liest man allein, sitzt man nach den Auftritten allein in im Hotelzimmer.
Jeder der Musiker hatte damals einen Song, den die anderen liebten. Musician’s Music. Bei Jacob war es „Norway“. Ich erinnere mich, wie ich einmal mit den anderen Künstlern Ben Rector, Ari Hest und VanRiss im Publikum stand und alle lautstark den Refrain mitsangen.
Damals redete ich mit Jacob öfter darüber, wie schwierig es für ihn als deutschen Singer/Songwriter mit englischen Texten ist. Und noch immer würde ich sagen: Käme er aus Liverpool, Brighton oder Manchester, hätte er mit Songs wie „Save Me“ und seiner Stimme einen ganz anderen Erfolg gehabt.
Eines unserer Gesprächsthemen war aber auch, dass er „Norway“ für sein damaliges Album bewusst in einer gefälligeren, radiotauglichen Version aufgenommen hatte. Ich kenne Menschen, die mögen den Song so lieber, ich hingegen hatte all die Jahre die pure, akustische Version von der Feels Like Home-Tour vermisst. Und weil ich sie so vermisst habe, fragte ich Jacob irgendwann, ob er den Song genau so bei meinen Lesungen spielen könnte …
Ich weiß nicht mehr, wie wir darauf kamen, aber als Vom Ende der Einsamkeit erschien, wollte ich nicht mehr die ganze Zeit allein auf der Bühne sitzen. Bei Feels Like Home hatte ich gelernt, wie schön so ein Abend wird, wenn man ihn teilt. Und da Jacob im Laufe der Jahre ein sehr guter Freund von mir wurde, war früh klar, dass wir einige der Veranstaltungen fortan gemeinsam bestreiten würden.
Ein anderer Grund war: Musik und Literatur gehören für mich zusammen. Es war mein jahrelanger Traum, beides auf Lesungen zu vereinen, und endlich war uns das möglich. Auf Tour coverte Jacob dann immer zwei, drei Lieder vom Soundtrack des Buchs wie etwa Between The Bars von Elliott Smith und spielte dazu eigene Songs, während ich zwischendurch las. Den Abschluss der Veranstaltungen bildete dann jedes Mal sein „Norway“ in der Akustikversion. Und das Schönste war insgeheim, wenn später Zuhörerinnen und Zuhörer zu mir kamen und sagten, wie sehr sie Jacobs Musik mochten – und ob es nicht mehr von ihm zu hören gäbe.
Ich erinnere mich deshalb noch, wie wir damals in Freiburg im Hotel saßen und darüber redeten, dass es ein Album bräuchte, das diese Seite von ihm abbildet. Und zwar ohne fürs Radio überproduziert-poppig zu sein oder nur auf den Markt zu schielen. Sondern einfach so, wie er es immer schon mal machen wollte. Dieses Album ist nun „Circletown“: alles von Jacob selbst geschrieben, selbst eingespielt und selbst produziert.*
Der gleichnamige Song gehört für mich wie etwa auch „Mystery Road“ zu meinen absoluten Favoriten. Doch hervorheben möchte ich – neben vielen anderen guten Liedern – auch „Lost In Bejing“. Ich weiß, dass man mit Beatles-Vergleichen vorsichtig sein muss. Man darf vielleicht gerade noch das Electric Light Orchestra erwähnen oder Songs wie Fade Together von Franz Ferdinand. Aber zumindest für mich gehört ab sofort auch „Lost In Bejing“ von Jacob dazu. Denn ich kann mir vorstellen, dass McCartney und Lennon den damals vielleicht auch ganz gern geschrieben hätten.
Und so lässt sich in Zeiten von Corona natürlich schlecht planen. Aber wenn die Dinge einigermaßen normal laufen sollten, gehen Jacob und ich im Herbst 2021 zusammen auf Tour. Da der nächste Roman in den Achtzigern spielen wird, dürfen ein paar Cover wie eventuell Drive von The Cars natürlich nicht fehlen. Aber vor allem wird Jacob dann auch Songs von seinem neuen Album spielen.
Es ist heute erschienen.
Und ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich mich darüber freue – und auf unsere nächste Tour.
*Wenn auch vielleicht nicht gleichzeitig wie in diesem schönen Video.
Hier das Album auf Spotify.