Rede gegen Rassismus

Letzte Woche war ich am Gymnasium Hohenschwangau, das bei der europaweiten, von SchülerInnen initiierten Aktion „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ mitmachte. Es war mir eine große Ehre, die angebotene Patenschaft für das Projekt anzunehmen. Sie war verbunden mit einer Veranstaltung in der Aula – und mit einer Rede, die man sich hier ansehen kann, meistens stehend, zwischendurch liegend:

 

Das Ganze war auch deshalb so besonders für mich, weil ich in diesem Gymnasium nicht nur selbst Schüler war, sondern auch ins dort angeschlossene Heim gegangen bin, nach der Veranstaltung aßen wir dort sogar noch zu Mittag. Ich gebe zu, ich hatte anfangs Angst. Das Internat ist eine staatliche, eher schlichte Einrichtung, und ich befürchtete insgeheim, dass es wieder Eier in Sonfsoße oder ähnliche „beliebte“ Klassiker von einst geben würde. Aber das Essen war zu meiner Überraschung tausendmal besser als früher, überhaupt sieht es im Heim – für mich damals immer zwei graue Gebäudekästen inmitten der schönsten Landschaft der Welt – nun viel hübscher aus, frische Farben an den Wänden, dazu neue oder modernere Gebäudetrakte.

Schon durch den wunderbaren Film „mid90s“ war ich in den letzten Wochen nostalgisch gewesen; noch mal das alte Hip-Hop-Zeug von damals gehört, aber nichts hat mich so in die späten Neunziger, frühen Nullerjahre zurückgeworfen, wie dieser Besuch. An dieser Schule habe ich John Irving und die Literatur entdeckt, war ich unglücklich in ein Mädchen verliebt, habe ich absurde Klamotten getragen und Unmengen dummes Zeug geredet, großartige Freundschaften geschlossen, schulische Ängste und ungerechte Abfragen durchlitten (allerdings auch viele gerechtfertigte miese Noten eingesteckt), Nächte durchgemacht und jeden möglichen Blödsinn angestellt; alles in unserem gemeinsamen Kampf gegen die Langeweile in einer Zeit ohne Internet. An dieser Schule habe ich aber auch – endlich von dem Mühlstein namens Pubertät befreit – angefangen, klarer zu denken, Pläne zu schmieden, ermutigt von anderen erste Artikel für die Heimzeitung geschrieben und entschlossen, Schriftsteller zu werden. Berührt hat mich nun die oft liebevolle Stimmung beim Wiedersehen mit früheren Lehrerinnen und Lehrern, von denen manche damals nicht einfach nur einfach ihre Arbeit gemacht, sondern sich sehr um mich und die anderen gekümmert haben. Nicht, dass man das mit sechzehn, siebzehn angemessen wertgeschätzt oder erkannt hätte, aber heute erkenne ich es, und ich bin sicher, dass ich damit nicht allein bin.

Wie das Heim heute ist, weiß ich nicht, das hängt gerade dort natürlich immer von den Leuten ab. Vor knapp zwanzig Jahren jedenfalls, mit all den verrückten Charakteren aus Mexiko, Litauen, Deutschland und vielen anderen Ländern, herrschte eine besondere Gemeinschaft, war es manchmal rau und derb, aber viel öfter warmherzig, solidarisch, lustig und nah. Es war auf eine gewisse Weise eine Heimat für mich, ein Zuhause, weil ich kein richtiges hatte, und inzwischen führt der Weg dorthin über eine aus unzähligen Bildern und Geschichten bestehende Memory Lane. Oder wie es in der Novelle zum Film „Stand By Me“ heißt: „Ich hatte nie wieder solche Freunde wie damals … Sie etwa?“

Umso glücklicher bin ich, dass meine alte Schule nun bei einer so tollen Aktion mitmacht, dass es überhaupt dieses Projekt gibt und sich so viele Schülerinnen und Schüler engagieren. Man kann sich nicht genug gegen Rassismus, Diskriminierung, gegen Fremdenhass und Nationalismus positionieren; vor allem in diesen Zeiten.