Top 10 der besten Fußballer

Die Isolation der Quarantäne treibt die unterschiedlichsten Blüten. In meinem Fall lockt sie zuverlässig den Nerd in mir hervor – und der wandte sich dem Fußball zu. Anlässlich Maradonas Tod und zuvor Pelés 80. Geburtstag, wollte ich zumindest für mich selbst die Frage klären … Wer war denn nun der beste Fußballer aller Zeiten?

 

Disclaimer: Bei dieser höchst subjektiven Wahl ging es um Feldspieler – nicht um Torhüter (das wäre eine andere Diskussion, zwischen Neuer, Jaschin, Buffon). Zudem stand für mich auch nicht nur das reine Talent im Fokus. Sonst müssten etwa der junge, noch dünne brasilianische Ronaldo und ein Ronaldinho viel höher bewertet werden. Hier ging es vielmehr um das ganze Paket, um das, was man in der NBA den „Most Valuable Player“ nennt: also die fußballerischen Skills, die Fähigkeit, in entscheidenden Spielen Großes zu leisten und die eigene Generation zu dominieren, die Wichtigkeit für die Mannschaft, aber auch für den Fußball und dessen Evolution als Ganzes, die Beständigkeit über die gesamte Karriere hinweg, der Erfolg als Spieler – sowie die Persönlichkeit auf dem Platz.

Der Grundgedanke war nicht: die früheren Spieler hätten beim Hochleistungssport unserer Tage gar keine Chance mehr, sondern eher: wie gut wären die erst mit dem heutigen hocheffizienten Training, optimaler Versorgung und in modernen Stadien. Und: wie gut wäre wiederum ein Cristiano Ronaldo bei damaligen Ackerplätzen, miesem Essen und rudimentärer Sportmedizin gewesen, wie gut ein Messi bei teils rauchenden, saufenden Mitspielern und brutal reingrätschenden 60er- bzw. 80er-Jahre-Tretern, ohne vom Schiedsrichter und Fernsehkameras so geschützt zu werden wie heute (bei der WM 1982 etwa wurde der Italiener Claudio Gentile auf den jungen Star Maradona angesetzt und foulte ihn – nur in diesem einen Spiel – 23 Mal).

Hier also meine Top 10. Zur Beweisführung habe ich die meisten Thesen mit Videos verlinkt (und die Liste nach der Weltmeisterschaft 2022 noch mal aus triftigem Grund aktualisiert).

 

10. Gerd Müller

(* 3. November 1945 –  † 15. August 2021, Deutschland)

Es gibt ein Paralleluniversum, in dem Franz Beckenbauer und Gerd Müller nicht für den FC Bayern, sondern 1860 München spielten. Beckenbauer, weil er in seiner Jugend nicht von einem Sechziger geohrfeigt wurde. Und Müller, weil die Verantwortlichen der „Löwen“ eine Stunde früher zur Vertragsverhandlung kamen. So aber landete auch der Junge aus Nördlingen bei den Bayern und startete – nach Anlaufschwierigkeiten unter Trainer „Tschick“ Cajkovski, der ihn „kleines, dickes Müller“ nannte und vergeblich auf Diät setzen wollte – seine Profikarriere. Und was für eine. Es bleibt einfach unglaublich, wie viele wichtige Tore er erzielte. Allein die 14 Treffer bei nur zwei Weltmeisterschaften wirken heute surreal.

Müller traf gegen alle großen Verteidiger der Welt, und das jahrelang und beliebig: in verschiedenen Landesmeister-Finals, ein Doppelpack im Jahrhundert-Spiel gegen Italien 1970, aber auch ein Doppelpack im EM-Finale. Und dazu das Siegtor im WM-Finale 1974 auf seine unnachahmliche Art (erzielte im Endspiel sogar noch einen zweiten Treffer, der ihm zu Unrecht aberkannt wurde). Mehr geht einfach nicht. Hinzu kommt seine wohl in alle Ewigkeit unerreichbare Quote von 68 Toren in nur 62 Länderspielen, die andere solcher Quoten fast vergessen lässt: 78 Tore in 62 DFB-Pokalspielen etwa, oder 34 Treffer in 35 Landesmeister-Pokalspielen. Aber auch: sieben Torschützenkönig-Titel in einer damals sehr offensiven Bundesliga und bei entsprechend starker Konkurrenz. Selbstverständlich auch Inhaber weiterer Bestmarken wie die legendären 40 Tore in einer Saison (Nachtrag: inzwischen um ein Tor übertroffen von Robert Lewandowski) und die meisten Bundesliga-Treffer; auch sein Weltrekord von 85 „Buden“ in einem Kalenderjahr blieb für Jahrzehnte unangetastet.

Seine Zahlen sind unglaublich, seine lautlose Wichtigkeit für seine Mannschaften kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, ebenso nicht die Wichtigkeit der Spiele, in denen es so regelmäßig „müllerte“. Spielte früher auch im Mittelfeld und war fußballerisch durchaus begabt, aber vielleicht nicht herausragend, was auch diese vergleichsweise niedrige Platzierung erklärt, jedoch immer für technisch saubere Doppelpässe gut. Sein wahrer Arbeitsplatz aber war der Stafraum: der Ball musste über diese weiße Linie, egal wie. Während andere Spieler in dieser Liste das Toreschießen zur Kunstform erhoben, machte Müller das Gegenteil: Mit seinem einzigartigen Torinstinkt ließ er die schwerste Sache im Fußball oft kinderleicht aussehen und war durch nichts aufzuhalten. Amüsiert liest man die Hymnen seiner einstigen Gegner, die an ihm und seinem wendigen Körper mit den monströsen Oberschenkeln und dem niedrigen Schwerpunkt verzweifelten. Oder die Kommentare von Beckenbauer und anderen Mitspielern, die klagten, dass sie keine Chance hatten, wenn sie im Training mal selbst gegen ihn spielen mussten. Ihn bekam einfach niemand auf den Boden, keiner in den Griff.

Am schönsten bleibt jedoch sein Jubel: ohne große Inszenierung, eine fast kindliche, kurze Freude, die nie zu seinem markigen Spitznamen „Bomber der Nation“ passen wollte. Beim ersten Tor genauso wie am Ende seiner Karriere bei den Fort Lauderdale Strikers in den USA. Müller blieb trotz all seiner Erfolge immer ein stiller, bescheidener Mensch, der sich nie inszenierte oder in den Mittelpunkt stellte, obwohl er dafür tausend Gründe gehabt hätte. Und so rühren vielleicht auch die Worte, die Freunde und Weggefährten anlässlich seiner Krankheit über ihn fanden.

 

 

9. Alfredo Di Stéfano

(* 4. July 1926 – † 7. Juli 2014, Argentinien/Spanien)

Der FC Barcelona wollte ihn zuerst und überwies schon eine Ablösesumme. Madrid bekam ihn am Ende trotzdem, wohl auch wegen ihres mächtigsten „Fans“; angeblich intervenierte Diktator Franco hinter den Kulissen. Und so führte Di Stéfano eben Real zu fünf Landesmeister-Titeln in Folge und zu acht Meisterschaften – und prägte mit Spielern wie Puskás und Gento diese frühe Phase des Fußballs. 216 Tore in 282 Ligaspielen in Spanien stehen in seiner Statistik, für seine Clubs in Südamerika hatte er zuvor ähnliche Zahlen aufgelegt. Fällt nur deshalb in diesen Debatten nicht so auf, weil er neben seinem „zu frühen“ Wirken auch an keiner Weltmeisterschaft teilnehmen konnte; verpasste als Argentinier bzw. eingebürgerter Spanier überraschend die WM 1958. Aber alle, die ihn haben spielen sehen, sagen, man könne ihn nicht hoch genug einschätzen.

Der „blonde Pfeil“ galt damals als atemberaubend schnell, robust und durchsetzungsfähig mit seinen Tempodribblings. Im Mittefeld eine majestätische Ausstrahlung, Ballbeherrschung und Trickkiste wie Zidane, im Abschluss nüchtern wie Gerd Müller. Wurde zweimal als „Europas Fußballer des Jahres“ mit dem Ballón d’Or geehrt – und gewann 1989 auch die Abstimmung beim bisher nur einmal vergebenen Súper Ballón d’Or für die letzten drei Jahrzehnte – trotz stärkster Konkurrenz.

War ein Wegbereiter des moderneren, besser dokumentierten Fußballs nach ihm, und zugleich mit seiner Persönlichkeit und seinen sportlichen Fähigkeiten auch das Fundament des „Weißen Balletts“ von Real Madrid, auf dem der Club und sein Mythos bis heute gebaut sind.

 

 

8. Luis Nazário de Lima

(* 18. September 1976, Brasilien)

Ginge es nur um das reine fußballerische Talent, um das, was ein Spieler auf seinem Höhepunkt zu leisten vermochte – dann wäre der junge, dünne, dynamische Ronaldo, der für Eindhoven, Barcelona und Inter Mailand auflief, hier auf einem geteilten dritten Platz. Mindestens. Sieht man sich noch mal seine alten Spiele und Szenen an, fällt neben seiner Schnelligkeit sofort sein Dribbling auf: zerstörerisch, zielgerichtet und mit einer unglaublichen Kontrolle selbst bei allerhöchstem Tempo. Teilweise trabte, spazierte oder rannte er aber auch ansatzlos in vier, fünf Mann hinein und kam fast immer durch – und das gegen eine überragende Generation von taktisch bestens geschulten, knallharten italienischen Verteigern. Dazu stets ein Auge für Mitspieler und absolut eiskalt vor dem Tor (passabler Kopfball, extrem guter Schuss).

Hatte als junger Spieler eine überragende physische Verfassung, verbreitete damals in jeder Abwehr Furcht und Panik. Mit dem heutigen Training und mehr Ethos hätte Ronaldo wohl der Größte aller Zeiten werden können – und vor allem ohne die gravierenden Verletzungen. So aber fiel er auf der Spitze seiner Schaffenskraft für fast zweieinhalb Jahre aus. Kam danach deutlich schwerer zurück und wurde nie mehr der Alte. Grob formuliert wäre er sonst auf die Frage „Messi oder CR7?“ vielleicht die Antwort: „Beide in einem“ gewesen. Die verschiedenen Videos von ihm öffnen einem wirklich noch mal die Augen, falls man den Hype in seinen ersten Jahren vergessen hat.

Damals schnellte er in den Debatten um den Besten aller Zeiten sofort in die Kategorie Maradona und Pelé hoch. Heute kommt er nicht mal als erster Treffer, wenn man ihn googelt; stattdessen erscheint da sein athletischer Namensvetter aus Portugal. Der eigentlich noch begabtere „O Fenomeno“ dagegen ist auf dem besten Weg zu einer halbvergessenen, gemütlichen Comicfigur. Die Zeit seiner wirklichen Dominanz, diese gerade mal vier, fünf Jahre, erscheinen heute tatsächlich zu wenig, um ihn noch höher zu platzieren. Blickt man nun auf seinen verheißungsvollen Karrierestart zurück, auf die 34 Tore in 37 Spielen in seiner einzigen Saison für Barcelona etwa, wirkt er eher unvollendet und wie das große unerfüllte Versprechen des Fußballs.

Verrückt daran ist nur, dass der schon stämmige, lebenslustige spätere Ronaldo in der Champions League zwar nicht reüssierte (trotz mancher Galavorstellung), aber trotzdem noch starke Trefferzahlen bei Real Madrid auflegte, Brasilien bei der sonst biederen Weltmeisterschaft 2002 mit bedenklicher Frisur und acht Toren – davon allein zwei im Finale –, zum Titel schoss und überhaupt neben Zidane die große Ikone einer Zeit sein konnte, in der der Fußball endgültig modern und professionell wurde. Dreimaliger Weltfußballer, zweimaliger Weltmeister, zweimaliger Copa-Améria-Sieger, NIKE-Werbefigur, 62 Tore in 98 Länderspielen, dazu jahrelang WM-Rekordtorschütze mit fünfzehn Treffern. Und das alles teils mit kaputten Knien und immer wieder Übergewicht.

 

 

7. Franz Beckenbauer

(* 11. September 1945 – † 7. Januar 2024, Deutschland)

Ein herausragender Spieler und sicherlich einer der besten aller Zeiten. Profitierte allerdings bei seinen berühmten, raumgreifenden Vorstößen aus der Abwehr insgeheim auch von der sturen Manndeckung der damaligen Zeit (niemand konnte auf ihn draufgehen, wenn er auf einmal in der gegnerischen Hälfte auftauchte) und der aktiv betriebenen Legendenschreibung eines Fußballs, der plötzlich (Werbe)-Stars brauchte und sie sich deshalb erfand; bekam in Münchner Zeitungen gefühlt immer eine Eins, stand aber auch in der Kicker-Rangliste bizarre siebenundzwanzigmal in der Rubrik „Weltklasse“, während andere Giganten wie Netzer das nur viermal schafften. Wohl eher nicht in der Rangliste wäre seine  berühmte Gesangseinlage gelandet, mit der er zeitweise in den Charts vor den Beatles stand.

Auf dem Platz war der „Kaiser“ ein Stratege: elegant, schnell, dominant, stilprägend. Er revolutionierte die Position des „freien Manns“ und interpretierte sie ungewohnt offensiv, besaß ein phantastisches Spielverständnis und ein in seiner angeborenen Leichtigkeit hinreißendes Ballgefühl, dazu einen sicheren Instinkt für Doppelpässe und Vorstöße. Konnte platziert schießen, dribbeln, perfekt getimte Diagonalpässe über fünfzig Meter lässig aus dem Fußgelenk bolzen, die sonst so nur noch Bernd Schuster hinbekam, aber genauso auch grätschen.

Fast noch wichtiger war jedoch seine offenbar einmalige Aura, so wurde er auch von ehemaligen Mitspielern und Gegnern unisono als die überragende Gestalt auf dem Platz beschrieben. Schon optisch fiel das auf: Seine Eleganz und sein fast schwebender, aufrechter Gang wirken selbst heute unerreicht; nie musste er auf den Ball schauen, er fühlte ihn intuitiv. Den Blick immer oben und auf den Raum gerichtet, wurde das hektische Spiel in seinen Augen langsam. Wirkte so im Kopf schneller als seine Gegner, manchmal auch als seine Mitspieler.

Ging in all seinen Teams voran: Ob als blutjunger dynamischer Mittelfeldspieler beim FC Bayern und bei der WM 1966 (schoss damals vier Tore und war im Grunde der beste und interessanteste Spieler des Turniers; hätte bei heutigen Preisen danach einen sagenhaften Marktwert gehabt). Oder später als Libero in den Siebzigern, in denen er alles gewann: Dreimal den Landesmeisterpokal, dazu die Europameisterschaft und die Weltmeisterschaft – immer als Kapitän, der seine Mitspieler auf dem Platz antrieb, aber auch abseits davon.

Holte mit Cosmos New York sogar noch den Titel in Pelés letzter Saison, was der allein zuvor nicht geschafft hatte (viel entscheidender: beide kannten nicht nur die Losung an der Tür des Studio 54, den legendären Spruch „I am with the Cosmos“, sie hatten dort auch einen eigenen Stammtisch). Und als Beckenbauer nach drei Jahren in der Fremde als Mann von Welt zurückkehrte, gewann er als Routinier auch mit dem Hamburger SV die Meisterschaft. Schnippte ansonsten per Außenrist Freistöße in den Winkel (das klappte fast auch 1974 im WM-Finale) und traf mal eben vom Weißbierglas in die Torwand

Alle anderen hier waren Stürmer oder offensive Mittelfeldspieler, er erreichte dieses Renommee als Abwehrchef (siehe Anmerkung ganz unten). Aber vor allem wirkte er über seinen Sport hinaus und befreite ihn von seinem miefigen Ruf. Beckenbauer führte seine Teams nicht nur zu jedem erdenklichen Erfolg, er war mit seiner weltläufigen Lässigkeit, seiner jovialen Menschenfreundlichkeit und seinem Lausbuben-Charme ein Paul McCartney des Fußballs; ein Popstar und Prophet des Aufbruchs und eines schöneren, leichteren Spiels.

 

 

6. Zinédine Zidane

(* 23. Juni 1972, Frankreich)

Seine spektakulären Fähigkeiten machten ihn neben Brasiliens Ronaldo zum überragenden Spieler seiner Generation. Hätte er damals Materazzi nicht umgenietet sogar ein sicherer viermaliger Weltfußballer, nicht „nur“ dreimalig. Prägte, ohne Stürmer zu sein, mit seinen Toren nahezu jedes wichtige Spiel seiner Karriere, ob seine beiden WM-Finals mit insgesamt drei Treffern oder das Championsleague-Finale 2002 mit dem Volley-Siegtor, Europameister wurde er dazu auch noch. Je wichtiger das Match, desto sichtbarer wurde „Zizou“, desto mehr forderte und bekam er den Ball und diktierte den Rhythmus des Spiels.

Ob anfangs bei Girondins Bordeaux, später bei Juventus Turin oder am Ende bei Real Madrid: stets war er der unumstrittene Fixpunkt seiner Mannschaften. Musste dafür gar nicht viel reden, seine stille Klasse sprach für ihn. Besaß ein gutes Zweikampfverhalten, konnte aber auch sonst alles auf höchstem Niveau: von Kopfball (siehe seine zwei Tore im WM-Finale 1998), Passen, Dribblings und Abschlüssen bis hin zur exzellenten Ballbeherrschung. Hinzu kommt seine ikonische Ausstrahlung. Unglaublich auch seine Leistung im Viertelfinale der WM 2006, als er mit 34 Jahren und nach vielen kleinen Verletzungen noch mal aufblühte und ihm gegen den Titelfavoriten Brasilien beinahe jede einzelne Aktion gelang.

Das letzte Spiel seines Lebens war dann kurz darauf das Finale gegen Italien, sein Kopfstoß die letzte Aktion seiner Karriere. Und gleichzeitig war diese Entgleisung nur eine von vielen, sein Temperament schon davor berüchtigt. Ging mit gesenktem Haupt am WM-Pokal vorbei und ließ seine Mannschaft im Stich. Anderseits: erinnert sich jemand an das letzte Spiel von Beckenbauer? Von Pelé? Von Maradona? Zidanes Abgang auf der größtmöglichen Bühne bleibt dagegen auf ewig umstritten – und dadurch unvergesslich, ein Kino-Moment.

 

 

5. Cristiano Ronaldo

(* 5. Februar 1985, Portugal)

Über seine Sympathiewerte lässt sich trotz gigantischer Followerzahlen streiten, und die von Football-Leaks und dem Spiegel dokumentierten Anschuldigungen gegen ihn stehen, sollten sie wahr sein, noch mal auf einem ganz anderen Blatt. Rein sportlich gesehen sticht jedenfalls seine Dominanz heraus, ebenso seine fast unheimliche Konstanz. Schon als Youngster bei Manchester United war er eine prägende Figur und „Fußballer des Jahres“ in England, schoss damals 31 Tore in seiner letzten Premier-League-Saison. Traf aber auch später als Routinier 31 mal – dort in der defensiven italienischen Serie A und für Juventus Turin. Und dazwischen: 311 Ligatore in nur 292 Ligaspielen für Real. Allein diese neun Jahre in Madrid sind von einer Beständigkeit, die im modernen Weltfußball ihresgleichen sucht (und letztlich nur im höher bewerteten Messi findet). War auch international immer der wichtigste Spieler seiner Teams. Fünf Champions-League-Titel und dort der ewige Rekordschütze, über hundert Tore für Portugal, dazu dieses unterlegene Team ins Europameisterschafts-Finale geführt und da emotional mitgerissen und zum Titel „gecoacht“.

Jede Mannschaft, die ihn im letzten Jahrzehnt aufs Feld schickte, war durch seine Trefferquote statistisch schon vor dem Start mit 1:0 in Führung gegangen. Kann eigentlich alles: Ist mit seiner immensen Sprungkraft und seinem herausragendem Timing einer der weltbesten Kopfballspieler, erzielte etwa mit Abstand die meisten Kopfballtore im 21. Jahrhundert. Dabei war ihm das, blickt man auf die Anfänge seiner Karriere, nicht mal in die Wiege gelegt. Dazu starkes Dribbling, sehr guter Schuss gepaart mit effizientem Abschluss. Warf seinen Ring in die Debatte um das beste Fallrückziehertor und ist ganz nebenbei auch noch ein sehr unterschätzter Vorlagengeber.

Wenn ein Messi alles geschenkt bekommen hatte, war der ebenfalls talentierte Ronaldo ein Genie des Willens und der harten Arbeit. Wurde so mit den Jahren immer noch effektiver, besessener, besser. War nie schwerer verletzt und verkörperte – anders als ein Ronaldinho oder sein brasilianischer Namensvetter – seine ganze Karriere hindurch absolute Weltklasse. Zwischen seinem ersten und seinem fünften Weltfußballertitel liegt fast ein Jahrzehnt, war selbst mit Mitte dreißig noch regelmäßig in der engeren Wahl und traf als einziger Spieler bei fünf Weltmeisterschaften. Hat in jeder Liga funktioniert, in (fast) jedem Alter und in jedem Team. Das ist in dieser Ausprägung bisher nicht oft dagewesen, und es unterscheidet ihn auch vom Santos-Pelé, vom Barca-Messi, vom Bayern-Beckenbauer, vom Benfica-Eusébio. Und doch lassen dieser beeindruckende Arbeitswille, diese stets auch ein wenig kühl wirkende Perfektion und Gier einen Funken Magie vermissen, den die nächsten Spieler hatten.

Stand bis zur Weltmeisterschaft 2022 noch auf einem wackligen vierten Platz, der für mich zugleich auch sein Limit war. Rückte danach noch eine Position nach unten: Aufgrund der enttäuschenden Auftritte mitsamt seiner Degradierung zum Ersatzspieler, aber vor allem weil er – im Gegensatz zum ebenfalls langsamer gewordenen Messi – seine körperlichen Defizite im Alter nicht durch andere Qualäten wie eine Spielmacherrolle ausgleichen konnte. Schaffte es auch abseits des Platzes nicht, als eine Art Elder Statesmen positiv auf seine Mannschaften einzuwirken, wirkte nicht frei von Allüren. Unwürdig daher das Ende seiner Vereinskarriere: Wurde von Manchester rausgeworfen, schon davor wollte ihn kein europäischer Spitzenverein mehr holen, ging schließlich für ein Rekordgehalt nach Saudi-Arabien.

Doch all das schmälert die unglaublichen Leistungen in seiner Prime nicht, die Titel mit Manchester und Madrid, die unglaublichen Zahlen, seinen Weltrekord an Länderspieltoren. Cristiano Ronaldo ist und bleibt für mich allerdings weniger der beste allgemeine Fußballer, eher die mit Abstand stärkste Version des alles dominierenden Stürmers, die hier mit Müller und Ronaldo mehrmals vertreten ist.

 

 

4. Johan Cruyff

(* 25. April 1947 – † 24. März 2016, Niederlande)

Ein faszinierender Offensivspieler, teils im Sturm, teils im Mittelfeld zu Hause. Taktisch ein Genie und schon in jungen Jahren ein Vordenker auf dem Platz. Immer die richtigen Pässe, dazu sauschnell und extrem dribbelstark, kalt vor dem Tor und trickreich. Kaum einer schlug Haken wie er, alles drehte sich um ihn, dominierte mühelos jede Mannschaft, in der er spielte. War nur einmal dann doch zu arrogant und selbstgefällig – ausgerechnet vor und beim verlorenen WM-Finale 1974 (wäre sonst immer ein Kandidat für das Podium gewesen, aber das wiegt nun mal schwer).

Die Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien ließ er dann aus privaten Gründen aus, mit ihm hätte die Niederlande das enge Finale vielleicht gewonnen. Führte dafür Ajax Amsterdam zu drei Landesmeister-Titeln in Serie, prägte danach den FC Barcelona für immer (wurde von den Fans zum Dank „El Salvador“ genannt, der Erlöser) und definierte auch nebenbei den revolutionären „Voetbal-Total“ der Niederlande unter Michels; den totalen Fußball.

Selbst im hohen Alter, als er aus der Frührente in der amerikanischen Show-Liga noch mal in die holländische Eredivisie zurückkehrte, gewann Cruyff als Star und Fixpunkt mit Ajax sofort wieder die Meisterschaft. Und als sie ihn dort schließlich wegschickten, weil er nun wirklich zu alt geworden war, holte er danach auch mit Feyenoord Rotterdam den Titel und wurde dank überragender Leistungen noch mal Fußballer des Jahres.

Konnte alles und war dabei auch noch lässig; man kann sich jede Szene, jedes Dribbling, jeden Pass und jedes Tor bei ihm mit einer Kippe im Mund vorstellen. Nicht umsonst gilt er als Miterfinder der Elfmeter-Finte. Ohne sein Wirken sähe der heutige Fußball wohl fundamental anders aus, er griff in die Architektur dieses Spiels ein, und das ist ein Satz, den man über nicht viele Spieler sagen kann.

 

 

2. Lionel Messi

(* 24. Juni 1987, Argentinien)

Hat spielerisch keine Schwächen, ist trotz seiner Größe auch robust und durchsetzungsfähig und beweist selbst beim Kopfball ein erstaunlich gutes Timing, obwohl das natürlich keine Waffe von ihm ist. Der Rest dagegen ist auch für jeden Laien erkennbar herausragend. Messi hat zwar im Vergleich nicht immer den allerhärtesten, aber einen unglaublich präzisen und platzierten Schuss (auch bei Freistößen), das seit langem weltbeste Dribbling und das vielleicht beste Passspiel im Vergleich zu allen hier genannten Spielern. Denn so oft der Blick auf seine Tore fällt, etwa auf die legendären fünfzig in einer Ligasaison in Spanien oder seinen Weltrekord von 91 Treffern in einem Kalenderjahr: Er ist ganz nebenbei auch der mit Abstand beste Assistgeber seit Beginn der modernen Datenerfassung, und vermutlich auch aller Zeiten. Selbst in einer für seine Verhältnisse blassen Ligasaison wie 2019/20 schaffte er es, mindestens zwanzig Vorlagen zu geben und gleichzeitig mindestens zwanzig Tore zu erzielen. Ein Kunststück, das in Europa bisher nur einmal gelang: dem Franzosen Thierry Henry in der Saison 2002/03. Damals galt Henry als der alles überragende Spieler der Premier League. Bei Messi dagegen wird seine 20/20-Saison als eher „schwaches Jahr“ verbucht – das allein zeigt das irrisinnige Niveau, auf dem er sich nun schon seine ganze Karriere bewegt.

Doch das sind nur die Zahlen, entscheidender ist sein Spielgefühl, sein unglaubliches peripheres Sehen, dazu kreiert er viele Räume für seine Zuspiele durch Dribblings und Bewegungen erst selbst. Pässe wie Xavi, klinisches Finish wie CR7 oder Pelé. Messi ist für mich der Beste unserer Zeit, ein verdammtes Fußballgenie. Verdelte  einst Pep Guardiolas Fußball und machte ihn so für immer unsterblich, wurde tragischerweise bei der WM 2010 ausgerechnet durch Maradona und dessen „Taktik“ ausgebremst, dafür konnte er nichts. Was er für seine Teams wirklich wert war, sah man bei Barcelona, als er ging.

Und dennoch kam er hier jahrelang nur auf Rang drei. Weil er sich selbst lange in wichtigen Partien des Öfteren Pausen nahm und mit seiner Statur und Physis an – zugegeben seltenen – schwachen Tagen gefühlt auch mal abzukochen war. Weil er in der französischen Liga bei Paris zunächst kaum auffiel, dazu auch die Chance nicht ergriff, für seinen bankrotten Verein Barcelona umsonst zu spielen und dort mehr zu sein als „nur“ der beste Spieler. Aber auch, weil er mit seiner introvertierten Persönlichkeit seine Teams auf dem Platz lange Zeit nicht allein zu tragen vermochte. Konnte das Mittelmaß so über viele Jahre hinweg weder als Spieler noch als „emotional Leader“ ganz an die Spitze führen.

Wenn ein Higuain in verschiedenen Finals mit Argentinien mal wieder nichts traf oder die Mitspieler schwächelten, tauchte auch Messi oft frustriert ab: Ob beim historischen 2:8 gegen Bayern, als er in der Halbzeit als Kapitän apathisch in der Kabine saß (bei einem Steven Gerrard undenkbar), oder 2010 gegen Deutschland (damals blieb er das ganze Turnier über torlos). Traf bei „seiner“ WM 2014 zudem nur in der Gruppe, nicht aber in sämtlichen engen Play-Off-Spielen danach einschließlich dem Finale mit Verlängerung. Für den zentralen Offensivspieler des Teams unterm Strich zu wenig. Auch, weil er damals, als es zählte, nicht in Topform schien (anders als etwa – mit Wut im Bauch und nach einer Ernährungsumstellung – in der Saison darauf, als er deutlich drahtiger aussehend mit Barcelona wieder alles gewann).

Doch dann kamen die letzten Jahre. Der späte Gewinn der Copa América, als er ein großartiges Turnier spielte und alle überragte – und die Weltmeisterschaft 2022, in der Messi als Kapitän endlich die Versprechen einlöste, die er einst als junges Talent gegeben hatte. Führte eine keinswegs übertalentierte argentinische Mannschaft fast allein zum Titel, schoss sieben Tore in sieben Spielen, spielte solche Pässe, traf in jedem Playoff-Match und auch im Finale zweimal, verwandelte zudem im Elfmeterschießen als Erster Schütze souverän. Wies so den aufstrebenden Mbappé noch mal in die Schranken, beendete aber auch endlich die (Schein)-Debatte um den GOAT gegenüber Cristiano Ronaldo.

Der 35jährige Messi wirkte in diesem Turnier gereift, fokussiert und dominant. Der junge Torjäger war endgültig in einem erwachsenen Spielmacher aufgegangen. Der Lohn dürfte die achte Auszeichnung als Weltfussballer sein, doch wichtiger ist die Krönung als Vollenderter. Er war schon immer der beste, schillerndste, talentierteste Spieler der letzten dreißig Jahre und der Einzige, der beides gleich gut konnte: Die meisten Assists und über die ganze Karriere gesehen sogar die bessere Torquote im ewigen Duell mit Cristiano Ronaldo. Doch seit dem Weltmeistertitel steht er endlich auch offiziell auf derselben Stufe wie die beiden folgenden Spieler.

 

 

2. Diego Maradona

(* 30. Oktober 1960 – † 25. November 2020, Argentinien)

Wohl nie hat ein einzelner Spieler eine Weltmeisterschaft mehr geprägt als er 1986 unter den tausend Sonnen Mexikos. Schoss – ohne wirklich Stürmer zu sein – zwei auf ihre Art jeweils Jahrhunderttore gegen England im Viertelfinale, traf wieder zweimal im Halbfinale gegen Belgien, lieferte den entscheidenden Pass zum Siegtreffer im Finale. Insgesamt fünf Treffer und fünf Assists. Wurde so Weltmeister mit einer damals eher mittelmäßigen, eventuell sogar schwächeren Mannschaft – auf jeden Fall schwächer als Argentinien 2010 und nicht besser als Argentinien 2014 mit Messi. Alles richtete sich auf ihn aus, nie gab es bis dahin mehr Hype und Presse um einen Spieler. Gleichzeitig hatte er anders als heutige Stars keine richtigen Berater, keine schlauen Manager, die ihn abschirmten und rar machten, keinen Schutz. Er wurde ausgenutzt, in die tosende, durchdrehende Menge geschubst und war ganz alleine damit – and he carried the whole god damn thing.

Kam 1984 zum kleinen SSC Neapel nach Süditalien, die in der Saison davor fast abgestiegen waren und noch nie etwas gewonnen hatten. Ein von den reichen Clubs und Seriensiegern aus dem Norden als „Kloake Italiens“ verspotteter Verein, ein Stigma, das zu Maradonas eigener Herkunft aus einem Armenviertel passte. Wurde dann jedoch mit Neapel zweimal Meister, in der damals noch eindeutig stärksten Liga der Welt, und Europapokalsieger – und das, obwohl außer ihm keine nennenswerten weiteren Neuzugänge kamen.

Und wie schaffte er das? Mit intuitiver Ballbehandlung, grandiosem Dribbling, perfekter Übersicht, die selbst unmöglichste Pässe erlaubte, ganz starkem Abschluss – und einer sehr, sehr großen Dominanz auf dem Feld. Man kann es mit Aura und Charisma beschrieben, aber es war mehr. Er brachte seine Teams zum Leuchten, er trug sie, oft ganz allein, trieb sie an und machte sie besser. In seinen stärksten Jahren auch mit Pferdelunge und körperlich sehr robust, dazu mit seinem Spieltrieb (unvergessen seine Aufwärmexzesse mit ungebundenen Schuhen) so gut wie fast nie vom Ball zu trennen. Maradona hatte aber auch eine Art X-Faktor: Versprang ihm dann doch ganz selten bei der Annahme oder beim Dribbling der Ball, war die nachfolgende Bewegung meist wieder perfekt und das Beste in der jeweiligen Situation. Manchmal entstand so auch erst ein Vorteil, ein neuer Raum, ein Pass, ein Tor. War dadurch nie ganz auszuschalten und unvorhersehbar, flankte notfalls per Fallrückzieher, Kopfball und Rabona, ließ sich nie unterkriegen, auch nicht von Tretern und brutalen, nicht geahndeten Fouls an ihm. War dem Spiel selbst so verfallen, dass ihm auf dem Platz ein WM-Finale vermutlich ähnlich viel bedeutete wie ein lustiges Training im Matsch.

Diese daraus entstandene Lockerheit, aber auch seine Widerstandsfähigkeit und Härte, während er ungeschützt von Schiedsrichtern wie Freiwild gejagt wurde, ist mit heutigen Augen betrachtet fast bizarr. Letztlich war der Ball nicht sein Freund, sondern sein Diener. Sehr schön die Anekdote von Gary Lineker, der ihn mal bei einem Charity-Match beim Jonglieren beobachtete und meinte, alle aus der damaligen Weltauswahl um Michel Platini hätten staunend zugesehen – und niemand habe das später auch nur ansatzweise nachmachen können.

Und so bleibt die Pointe, dass ein Spieler mit einem solchen linken Fuß ausgerechnet für die „Hand“ Gottes in Erinnerung bleiben wird. Aber es bleibt auch seine bis heute unerreichte Strahlkraft. Maradona war als jugendlicher Mittefeldspieler ein Torjägergenie in Argentinien, später ein Gott in Neapel – und wirkte zugleich menschlicher als alle anderen. Schon während der Karriere war sein Privatleben mehr als fragwürdig. In den späten Achtzigern kokste und feierte er mit seiner Entourage jede Woche durch italienische Clubs, um dann erst ab Mittwoch wieder auszunüchtern, zu trainieren und bis Sonntag halbwegs spielfit zu werden, all das längst im Würgegriff der neapolitanischen Camorra. Und dennoch reichte es immer noch, zumindest für ein paar Jahre. Und so ist das Folgende fies und polemisch, aber es ist auch nicht unwahr: Maradona schoss sein berühmtestes Solo-Tor gegen England bei einer WM und vor den Augen der Welt; Messi seines nur gegen Getafe im Pokal.

Man kann es tragisch nennen, dass der große Diego, il D10S, nach seiner Karriere nur noch im Abstiegskampf zu stecken schien und ihn schließlich verlor. Und doch wurde ihm, dem neben Evita Perón und Che Guevara berühmtesten Argentinier der Welt, schon zu Lebzeiten alles verziehen und in seiner Heimat eine fast religiöse Verehrung zuteil. Am Ende konnte nicht mal mehr der als drogensüchtiger Playboy und Clown-Trainer durch die Welt tingelnde, fehlbare Mensch Maradona der Kunstfigur „Maradona“ noch etwas anhaben. Und so brachte es sein alter Gegenspieler vom AC Milan, Carlo Ancelotti, nach seinem Tod auf den Punkt: „… But you, my friend, are eternal.“

 

 

1. Edison »Edson« Arantes do Nascimento

(* 23. Oktober 1940 – † 29. Dezember 2022, Brasilien)

Wenn der aufregendere Maradona die Rolling Stones und ein immerwährendes Sex, Drugs & Rock’n’Roll ist, dann ist dieser eigentlich gar nicht biedere Spieler die Beatles. Schließlich war auch er eine Art Pionier und so komplett und perfekt, dass es fast ein wenig langweilig ist: Starker Kopfball, kluge und raumöffnende Spielmacher-Pässe, wuchtige Freistöße, sehr platzierter, harter Schuss, große charismatische Persönlichkeit auf dem Feld, dazu ähnlich wie der brasilianische Ronaldo ein zerstörerisches, intuitives Dribbling, das angesichts seiner vielen, vielen Tore oft unterschätzt wird. Zudem wäre Pelé heute eher noch besser und überlegener, da deutlich geschützter vor absichtlichen Tritten und Verletzungen, die ihn aus manchem Turnier warfen (WM 1962-66).

Aber auch, weil sein Körper für die heutigen Anforderungen offenbar prädestiniert gewesen wäre: „A few years ago medical experts examined Pelé’s slim, athletic figure for weeks in a university laboratory. They prodded him, wired his head for readings, measured his muscles and his mind and when they finished they announced: „Whatever this man might have decided to do in any physical or mental endeavor, he would have been a genius. (…) Pele can run 100 meters in 11 seconds and jump almost 6 feet high. (…) „If nature wanted to be generous, it certainly exaggerated with Pelé.” (NY Times von 1975)

Aber er konnte nicht nur alles und gewann alles, mehrfach, er war nicht nur schlicht der herausragende Spieler seiner Generation, sondern er prägte auch noch die folgenden Generationen mit – und leuchtet so trotz ähnlich schlechter Video-Dokumentation wie bei Di Stéfano bis heute hell. Schoss in seiner Karriere angeblich sagenhafte 1282 Tore, davon allerdings einige in brasilianischen Regionalwettkämpfen, Testkicks und wohl auch Matches in Tagträumen. Doch selbst wenn man als harte Währung nur die offiziell notierten Pflichtspiele nimmt, liegt er mit seiner Quote von 767 Treffern in 831 Partien gleichauf mit Messis und Cristiano Ronaldos Fabelzahlen.

Was ihn zudem von fast allen anderen unterscheidet, ist seine makellose Spielerkarriere, die nicht mal Raum für die leiseste Kritik lässt. Denn vielleicht war ein Maradona noch einen Tick begabter, aber in seiner Vita stehen eben auch sein Scheitern bei Barca und die Tatsache, dass er den Fußball letztlich nur fünf Jahre dominierte – ähnlich wie der brasilianische Ronaldo. Cruyff dagegen spielte bloß eine Weltmeisterschaft und war vor dem Finale zu selbstgefällig; wie ein Klassenbester, der für die Abschlussprüfung nicht mehr lernt und dann überraschend durchfällt. Messi wiederum schaffte erst im späten Alter, ein Turnier mit Argentinien auch mal an sich zu reißen, und dem so fleißigen Cristiano Ronaldo fehlt – bei allem Respekt – auf dieser höchsten Höhe schlicht ein Schuss Genialität.

Nur Pelé verband sein außergewöhnliches Talent mit einer fast streberhaften Bilderbuchkarriere. Nur er war zwanzig Jahre konstant Weltklasse und in wirklich allen großen Matches da. Nur er gewann als Spieler neben 26 Vereinstiteln in Brasilien auch unglaubliche drei Weltmeisterschaften, schoss als 17jähriger (!) drei Tore im Halbfinale und zwei im Finale auf noch unscharfen Schwarzweißbildern, köpfte aber auch zwölf Jahre später als Routinier noch eines zum Titelgewinn – in einer völlig anderen Zeit und in Farbe. Und war selbst Jahre nach seinem eigentlichen Karriere-Ende in den USA noch mit Standfußball eindeutig der beste Spieler. Zudem machte Pelé mit seiner glamourösen Aura Soccer in Amerika für kurze Zeit populär. Mit ihm war das Giants Stadium zum ersten Mal komplett ausverkauft, Cosmos der heiße Scheiß (als Beckenbauer nach New York wechselte, stand in einer dortigen Abendzeitung eine einzige Zeile – auf Seite 55. Sein O-Ton zum Pelé dieser Zeit geht übrigens so: „Selbst ich staunte, wie einer sich in seinem damals ja schon höherem Alter bewegen kann … Ich habe ihm den Ball hingespielt, aber ich habe ihn nicht zurückgerfordert. Bei ihm nicht.“)

Doch trotz all dieser Zahlen und Fakten: Die Frage, ob Pelé nun der „Größte“ war, bleibt am Ende immer auch eine persönliche Glaubensfrage. Weil es vergleichweise wenig Bildmaterial von ihm gibt, weil er nie in Europa spielte und hier nur bei Weltmeisterschaften, Weltpokalfinals und Testspielen zu sehen war, seine wahren Wundertaten aber im Trikot des FC Santos vollbrachte – verborgen am anderen Ende der Welt. Wie sehr vertraut man also den wenigen Videos, die es heute noch von ihm gibt? Und wie sehr den Stimmen jener, die mit ihm spielten oder ihn damals erlebten?

Zumindest bei letzteren ist es beeindruckend, wie regelmäßig, entschieden und auch ehrfürchtig ausnahmslos alle Zeitzeugen seinen Namen nennen, wenn es um den Besten aller Zeiten geht; sogar der argentinische Weltmeistercoach Cesar Luis Menotti, der seinen Landsmann Maradona ja immerhin mehrmals selbst trainierte.Auch hier in Europa kannten ihn viele zunächst nur vom Hörensagen und waren erst skeptisch – und danach für immer bekehrt, als sie ihn bei großen Turnieren endlich in Aktion sahen. Burgnich, sein italienischer Gegenspieler im WM-Finale 1970, kommentierte es so: „Ich sagte mir vor dem Spiel, dass Pelé auch nur aus Fleisch und Blut bestehe wie ich. Ich hatte mich geirrt.“

Muhammed Ali huldigte ihm nach seinem letzten Match („Nun gibt es zwei, die die Größten sind“), Mick Jagger erklärte, dass in New York alle nur ein Foto mit Pelé wollten, selbst der schreckliche Biafra-Krieg in Nigeria ruhte angeblich für zwei Tage, weil Regierungstruppen und Rebellen ihn gleichermaßen spielen sehen wollten. Und wenn man dazu noch seine Statstiken und unerreichten Erfolge betrachtet, seine unabsprechbare Wirkung auf den Fußball als Ganzes, wenn man seine alten Videos und Ausschnitte bzw. (oft leider schwer zugängliche) längere Spielsequenzen für den FC Santos und Brasilien anschaut – dann kann man tatsächlich selbst zu dem Ergebnis kommen: Viagra-Werbung und unglückliche bis enttäuschende Äußerungen als Funktionär oder Vater hin, die weltweite Liebe für den exzentrischeren, genialeren Maradona her – Pelé war als Spieler über seine gesamte Karriere hinweg eine unereichte Ikone dieses Sports.

Vor ihm war die Nummer 10 nur eine Zahl. Erst er machte sie groß und hauchte ihr den Mythos ein, den sie bis heute hat. Pelé war Zeit seines Lebens O Rei do futebol – und bleibt es über seinen Tod hinaus.

Weitere Plätze:

11. Michel Platini (Frankreich)

12. Bobby Charlton (England)

13. Xavi (Spanien)

14. Zico (Brasilien)

15. Eusébio (Portugal)

16. Lothar Matthäus (Deutschland)

17. Ferenc Puskás (Ungarn)

18. Romário (Brasilien)

19. Sergio Ramos (Spanien)

20. Ronaldinho (Brasilien)

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Mögliche Top 11

Tor: Neuer

Abwehr: Maldini, Beckenbauer, Baresi, Ramos

Mittelfeld: Matthäus – Xavi, Zidane

Sturm: Maradona – Pelé, Messi

Anm.: Diskutieren könnte man noch, wieso es trotz vier WM-Titeln eigentlich so wenige eindeutig und konstant herausragende offensive Weltstars aus Italien gab (und mit dem unvollendeten Roberto Baggio auch nur einen Weltfußballer). Wo zur Hölle der fünfte Beatle George Best geblieben ist oder auch ein Lewandowski, Mbappé (zu jung, kommt sicher mal in die Top 15), Haaland und Zlatan, und wieso es Marco van Basten knapp nicht auf die Liste geschafft hat. Ob die aktuelleren Generationen zu niedrig oder zu hoch bewertet sind, weil ihr wahres Standing erst nach Jahrzehnten sichtbar wird. Auch über Spieler wie Fritz Walter und Socrates könnte man sprechen, deren Wirken über den Fußball hinausging, die aber vielleicht deshalb auch nur in ihrem eigenen Land so populär und wichtig waren.

Und dazu die vermutlich nie ganz zu beantwortende „philosophische“ Frage: Ob Abwehrspieler wie Cafu, Carles Puyol, Virgil van Dijk, Philipp Lahm, Fabio Cannavaro, Franco Baresi und Paolo Maldini in diesen Listen stets unfair behandelt werden, weil wir uns selbst bei ihnen an ein Tor stärker erinnern als an eine noch viel wichtigere Grätsche. Oder ob nicht jeder mit den größten physischen und technischen Möglichkeiten seiner Generation automatisch weiter vorne oder zentral spielen würde (so wie ja auch ein Guardiola den aus seiner Sicht in der Defensive verschenkten Lahm sofort ins Mittelfeld vorziehen wollte. Während umgekehrt nicht wenige berühmte Innen- bzw. Außenverteidiger einst als treffsichere, kantige Nachwuchsstürmer und talentierte Flügelspieler anfingen – bis es vorne nicht mehr ganz reichte und sie in ihrer Jugend immer weiter nach hinten verschoben wurden). In beiden Fällen wäre die Position des offensiv denkenden, spielmachenden Liberos à la Beckenbauer oder Matthias Sammer eine Ausnahme – die mit ihren herausragenden Fähigkeiten im heutigen Fußball wohl ohnehin eher strategische Sechser/Achter bzw. dynamische Box-to-Box-Player wären.

P.S. Unvergessen natürlich auch Wild-Card-Legenden wie Matt Le „God“ Tissier.